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17.03.16

Brasilianische Persönlichkeiten Teil II – Luiz Inácio Lula da Silva (mit aktuellem Bezug)



Lula, der erste Präsident und Gründungsmitglied der brasilianischen Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores), eine Persönlichkeit die seit eh und je polarisiert und die gerade jetzt das Land spaltet wie kaum eine andere Persönlichkeit in der Geschichte Brasiliens.
Die Biographie könnte glatt aus dem Drehbuch eines Hollywoodfilms stammen (bestimmt wird sie irgendwann tatsächlich verfilmt), aber genau das scheinen die Brasilianer zu lieben, genau das gab ihm die Popularität, die er zumindest bis vor kurzer Zeit noch beim Volk innehatte, aber dazu später mehr.

Aufgewachsen im Bundesstaat Pernambuco im Nordosten des Landes, die ärmste Region Brasiliens als siebtes von acht Kindern. Der Vater verließ wie viele „Nordoestinos“ die Familie um in Sao Paulo nach Arbeit zu suchen, verliebte sich dann in eine andere Frau und verließ seine Familie. Mit 12 Jahren verließ Lula dann die Schule vorzeitig um als Schuhputzer und sonstigen Gelegenheitsjobs die Familie zu unterstützen. Er arbeitete sich dann weiter hoch zum Metallarbeiter, unter anderem bei einem dt. Automobilkonzern mit 2 Buchstaben mit Abgasproblemen und trat dort in die Gewerkschaftsbewegung ein. Der Aufstieg innerhalb des Gewerkschaftsverbandes ging in den folgenden Jahren wie im Flug, unter anderem auch wegen seiner charismatischen lautstarken einfachen Art – wie eine Art Gute-Laune-Bär.
In dieser Zeit, den 70ern, war Brasilien genau wie andere lateinamerikanische Staaten eine Militärdiktatur und die Gewerkschaften waren in Augen der Machthaber etwa so beliebt wie das brasilianische Nationalteam nach dem Halbfinale im eigenen Land, weshalb Lula von den Militärs regelmäßig bespitzelt wurde, und auch sein dt. Arbeitgeber gab Informationen seiner Aktivitäten an die Regierung weiter, für die er dann in den Knast wanderte. Ein weiterer Deutscher, Helmut Schmidt, hatte dann wiederum großen Anteil daran, dass er dort bereits nach einem Monat wieder herauskam. Schmidt nannte die Freilassung Lulas als Bedingung für seine Brasilienreise…

Das politische Mittel mit denen Lula großen Druck ausübte, waren großflächige Streiks, die teilweise das gesamte Land lahmlegten. Hier auch ein interessantes Detail, das man in keinem Lexikon findet und deren Wahrheitsgehalt ich auf ca. 50 % einschätze – wie so vieles was derzeit in den Medien berichtet wird. Die Geschichte kommt von einem dt. Freund hier in Brasilien, der Sie wiederum von einem weiteren Bekannten gehört hat, und die wiederum ein anderes Bild von Lula abgeben, es geht um Verhandlungen zu geforderten Lohnerhöhungen:
Gewerkschaftsverband, vertreten durch Lula und Arbeitgeber sitzen sich gegenüber und debattieren über eine Lohnerhöhung um 7 %, nicht hinnehmbar für die Arbeitgeber, als Druckmittel droht Lula mit Streik. Die Einigung erfolgt jedoch rasch – man einigt sich auf 4,5 % und Lula feiert dies als seinen großen Sieg. Die Differenz von 2,5 % aller Gehälter lässt er sich (zu einem Bruchteil) auf sein Schwarzkonto überweisen – ganz nach brasilianischer Tradition – letztendlich stehen sowohl der Gewerkschaftsverband als auch Arbeitgeberverband als Gewinner da, nur das Volk eben nicht.
Wie gesagt, inwiefern die Geschichte war ist, wird man nie nachvollziehen können, aber für unrealistisch halte ich sie nicht.

1980 gründet Lula dann die Arbeiterpartei und 1989 trat Lula zum ersten Mal als Kandidat um das Präsidentenamt an, jedoch bis 2002 auf Wahlkampfveranstaltungen immer in Jeans und Karo Hemd, als Arbeiter.
Dann, 2002 geschah das „Wunder“ und Lula holte sich das Präsidentenamt. Für Brasilien waren seine zwei Amtszeiten bis 2010 ein großer Aufschwung, mit einem kaum vergleichbaren Ereignis in der Vergangenheit. Auch wenn Kritiker und Investoren seinen „sozialistischen“ Regierungsstil Anfangs kritisch betrachteten, überzeugte er zu Beginn mit seiner charismatischen Art und machte Brasilien zu einem „Global Player“. Auch im sozialen Bereich wurden unter Lula neue Programme wie z.B. „Fome Zero“ oder „Bolsa Familia“ initiiert, mit denen Millionen von Menschen aus der Armut entfliehen konnten, Programme wie man Sie in Deutschland bereits aus Bismarcks Zeiten kennt. Olympia 2016 und die Fußball WM wurden auch unter Lula an Brasilien vergeben….

Mit der Vergabe von internationalen Sportereignissen ist man ja auch in Deutschland derzeit nicht gut zu sprechen, und auch bei der Olympia Vergabe wird jetzt in Brasilien bereits investigiert. Das ist nur ein kleiner Teil des Schatten Lulas, der derzeit immer weiter ins Unerträgliche wächst.
Nach seinen beiden Amtszeiten war er direkt in einen Bestechungsskandal involviert. Er wurde zwar von mehreren Angeklagten als beschuldigt, jedoch konnte man ihm hier bis heute nichts nachweisen. 

Aber auch in der allgemeinen Bevölkerung, besonders in der Mittel- und Oberschicht ist man überzeugt, dass Lula einer der korruptesten Politiker des Landes ist. Etliche Häuser, Landgüter und Schwarzgeldkonten sollen ihm mittlerweile gehören und so verwundert es, dass man erst seit März 2016 gegen ihn ermittelt.

Und damit komme ich fast zum Ende der Geschichte, die gerade brandaktuell (17.03.) ist und an dem jeden Tag ein neues Kapitel hinzugefügt werden kann. Es ist wie in diesem hochinteressanten Artikel zu lesen wie in einer "US-Serie", nur leider wahr.. Nachdem es seit Monaten bereits Proteste gegen die Regierung und auch Lula gegeben hat, wurde am 04.03.sein Haus durchsucht, am 10.03. dann eine Anklageschrift der Staatsanwaltschafteingereicht. Am Sonntag den 13.03. kam es zu landesweiten Protesten mit über3,5 Millionen Leuten, die unter anderem für ein Amtsenthebungsverfahren der Präsidentin votierten sowie natürlich der Festnahme Lulas (siehe Fotos). 
Als „Reaktion“ auf die Proteste wurde Lula am 16.03. von der Präsidentin als Kabinettschef der aktuellenRegierung berufen, für viele Brasilianer der Funken, der das Fass zum überlaufen bringt, auch hier spontane Proteste und vor alle Wut, da Lula gegenüber der Strafverfolgung eine größere Immunität besitzt. Stunden später taucht ein Telefonmitschnitt, den man so interpretieren kann, dass Dilma ihm genau aus diesem Grund zum Kabinettschef ernannt hat.

Eben gerade erreichten mich noch die News, dass ein Bundesrichter der Ernennung zum Präsidentenwidersprochen hat. Für kommenden Montag sind in ganz Brasilien Generalstreiks angekündigt, wie es weiter geht weiß hier keiner. Es herrscht nur allgemeine Enttäuschung, Wut und Hass, nicht nur auf Lula, sondern auf die gesamte politische Kaste, von einer Demokratie ist das weit entfernt.

Wie man Lula in Zukunft betrachtet, wird sich herausstellen. Bei der armen Bevölkerung genießt er noch immer Rückhalt, der aber sicherlich jeden Tag weiter schwindet. Die nächsten Tage, Wochen und Monate werden seiner Biographie sicherlich einige interessante Details hinzufügen…
Der passende Zustand des Landes und auch meiner Meinung wird im folgenden Video gut klar:

- Que País = Welches Land
- È esse ? = Ist das?
- Que fazer ? = Was machen ?


 Nachfolgend noch drei Videos zu den Ereignissen rund um Lulas Festnahme. Das erste ein über 4 Stunden langer Livemitschnitt nahezu ohne Information (brasilianischer Medienhype), dann zwei verschiedene Beiträge auf Deutsch und Englisch.






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