Die politische
Situation hier in Brasilien hat im Moment etwas wirklich Tragisches, Bizarres
aber auch sehr Beängstigendes. Langsam ist mein Portugiesisch gut genug, dass
ich die politischen Debatten am Fernseher bzw. im Internet mitverfolgen kann
und beginnen kann die Zusammenhänge zu verstehen. Wie ich schon seit meiner
Ankunft immer wieder erzählt habe, herrscht derzeit Krise in Brasilien und ich
sehe keinen Ausweg aus der derzeitigen Situation und aus deutscher Sicht ähnelt
das ganze einem riesigen Zirkus.
Hatte ich vor
einigen Wochen noch über Lula (dem ehemaligen Präsidenten und Mitglied der
Regierungspartei PT) und dessen Leben berichtet, war ja hier der letzte Stand,
dass er, kurz Maßnahmen gegen Korruption eingeleitet wurden, dieser von der
Präsidentin Dilma als Minister ernannt wurde, um eine Teilimmunität zu erhalten
oder wie offiziell ausgedrückt um die am Boden liegende Wirtschaft des Landes
anzukurbeln.
Kurz darauf (Am
Tag darauf) tauchte jedoch ein von der Staatsanwaltschaft mitgeschnitten
Telefonat zwischen Dilma und Lula auf, dass diesen weiter belastete, da die
Aussagen so interpretiert werden konnten, dass er nur aus dem Grund ins Kabinett
eingeladen wurde um einer direkten Verfolgung durch den bisherigen Staatsanwalt
zu entgehen, dem in der Korruptions-Affäre „Lava Jato“ leitenden Staatsanwalt
Fernando Mora. Dieser führ derzeit einen Prozess gegenüber dutzenden von führenden
Politikern und wird in Teilen der Bevölkerung bereits als einziger aufrichtiger Mann und Superman betrachtet. Man müsste sich, das in Deutschland in etwa so vorstellen, dass ca.
30 % aller Parlamentariern aller Parteien wegen Korruption angeklagt sind – an
sich schon unglaublich, dass diese Leute immer noch weiter regieren.
Jener Fernando
Mora setzte sich allerdings selbst über das Gesetz,
indem er nicht nur das geheim mitgeschnittene Gespräch freigeben ließ, sondern
dieses direkt an die BILD Zeitung Brasiliens, den größten Sender GLOBO
weiterleitete, der daraus natürlich eine riesige Story machte. Demnach kann er
sich auch nicht mehr.
Das Ganze ist jezt
mittlerweile gut 3 Wochen her. In der Zwischenzeit wurde im Parlament, Senat oder einer
sonstigen Distanz beschlossen, dass es nun „ENDLICH“ (nachdem seit quasi meiner
Ankunft darüber debattiert wurde) zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin
kommen würde, festgelegt auf heute den 17.04.2016.
Neben viel heißer
Luft (= Reden und Beschimpfungen wie ich sie aus dt. Politik nicht kenne),
heizte sich die Stimmung in den vergangenen Wochen immer weiter auf. Hier der Diskurs einer Universitätsprofessorin aus Sao Paulo sowie eine Satire (die ich wesentlich besser finde), die derzeit durch die brasilianischen Netzwerke kursieren:
Es ist
wohl in einigen Städten schon vorgekommen, dass Leute nur aufgrund der roten
Farbe ihres T-Shirts (Farbe der Regierungspartei) beschimpft und geschlagen
wurden, Dinge, die man aus Deutschland noch aus einer vergangenen Zeit kennt.
Das Bizarre an
der ganzen Geschichte ist aber, dass die Gründe für ein Amtsenthebungsverfahren
juristisch wohl höchst umstritten sind (unter anderem wurden wohl Punkte
aufgeführt, die sich auf die vergangene Amtszeit beziehen) und zusammen mit den
oberhalb aufgeführten Gründen auch als Schlag gegen die Demokratie gewertet
werden können.
In der
vergangenen Woche ist vom bisherigen Vizepräsidenten Michael Temer, dessen Partei
PMDB sich von der Regierungskoalition in die Opposition begab, ein
WhatsApp-Mitschnitt mit seiner neuen Antrittsrede aufgetaucht, natürlich
offiziell als Fehler tituliert. Um das Ganze noch abzurunden, will ich noch
erwähnen, dass sowohl gegen ihn, als auch die Nummer 3 Eduardo Cunha sowie die
Nummer 4 strafrechtlich ermittelt wird. Bei der Nummer 3 Cunha, der zudem das
Amtsenthebungsverfahren leitet, wurden bereits Schwarzgeldkonten in der Schweiz
nachgewiesen.
Während ich diese
Sätze schreibe, läuft seit mehreren Stunden auf fast allen Kanälen die Abstimmung
zum Amtsenthebungsverfahren, das eher einer Fernseh-Show als einem politischen
Prozess gleicht. Im Parlament wird gesungen, geschrien, sich hundertfach auf
Gott, das brasilianische Volk, die Familie, die Heimatstadt, die Gerechtigkeit bezogen.
Dazu muss erklärt werden, dass die Abstimmung der 504 Abgeordneten nicht geheim,
sondern öffentlich verläuft. Einer nach dem Anderen wendet sich an das
brasilianische Volk und teilt seine Meinung, also „SIM=JA“ oder „NAO=NEIN“ dem brasilianischen
Fernsehzuschauer.
Das Ganze wird
dann wie bei einem WM-Spiel live in sämtliche Städte übertragen, in denen sich
die Anhänger wie über ein Tor über jede Stimme freuen. Wie das Ganze auch
ausgehen mag, im Moment steht es 88:28 für das „SIM“-Lager es wird das Land sicherlich verändern, nur in
welche Richtung – und da herrscht hier im Moment die ganz große Frage, der ich,
das sage ich ganz offen, auch etwas ängstlich entgegen sehe. Ob es sicher
unabhängig vom Ausgang morgen entscheiden wird, bleibt weiter offen.
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TCHAU Querida = Tschüss, meine Liebe |
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Dilma und Cunha |