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17.04.16

Amtsenthebungsverfahren - FORA DILMA – IMPEACHMENT - CORRUPCAO



Die politische Situation hier in Brasilien hat im Moment etwas wirklich Tragisches, Bizarres aber auch sehr Beängstigendes. Langsam ist mein Portugiesisch gut genug, dass ich die politischen Debatten am Fernseher bzw. im Internet mitverfolgen kann und beginnen kann die Zusammenhänge zu verstehen. Wie ich schon seit meiner Ankunft immer wieder erzählt habe, herrscht derzeit Krise in Brasilien und ich sehe keinen Ausweg aus der derzeitigen Situation und aus deutscher Sicht ähnelt das ganze einem riesigen Zirkus.

Hatte ich vor einigen Wochen noch über Lula (dem ehemaligen Präsidenten und Mitglied der Regierungspartei PT) und dessen Leben berichtet, war ja hier der letzte Stand, dass er, kurz Maßnahmen gegen Korruption eingeleitet wurden, dieser von der Präsidentin Dilma als Minister ernannt wurde, um eine Teilimmunität zu erhalten oder wie offiziell ausgedrückt um die am Boden liegende Wirtschaft des Landes anzukurbeln. 

Kurz darauf (Am Tag darauf) tauchte jedoch ein von der Staatsanwaltschaft mitgeschnitten Telefonat zwischen Dilma und Lula auf, dass diesen weiter belastete, da die Aussagen so interpretiert werden konnten, dass er nur aus dem Grund ins Kabinett eingeladen wurde um einer direkten Verfolgung durch den bisherigen Staatsanwalt zu entgehen, dem in der Korruptions-Affäre „Lava Jato“ leitenden Staatsanwalt Fernando Mora. Dieser führ derzeit einen Prozess gegenüber dutzenden von führenden Politikern und wird in Teilen der Bevölkerung bereits als einziger aufrichtiger Mann und Superman betrachtet. Man müsste sich, das in Deutschland in etwa so vorstellen, dass ca. 30 % aller Parlamentariern aller Parteien wegen Korruption angeklagt sind – an sich schon unglaublich, dass diese Leute immer noch weiter regieren. 
Jener Fernando Mora setzte sich allerdings selbst über das Gesetz, indem er nicht nur das geheim mitgeschnittene Gespräch freigeben ließ, sondern dieses direkt an die BILD Zeitung Brasiliens, den größten Sender GLOBO weiterleitete, der daraus natürlich eine riesige Story machte. Demnach kann er sich auch nicht mehr.

Das Ganze ist jezt mittlerweile gut 3 Wochen her. In der Zwischenzeit wurde im Parlament, Senat oder einer sonstigen Distanz beschlossen, dass es nun „ENDLICH“ (nachdem seit quasi meiner Ankunft darüber debattiert wurde) zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin kommen würde, festgelegt auf heute den 17.04.2016.
Neben viel heißer Luft (= Reden und Beschimpfungen wie ich sie aus dt. Politik nicht kenne), heizte sich die Stimmung in den vergangenen Wochen immer weiter auf. Hier der Diskurs einer Universitätsprofessorin aus Sao Paulo sowie eine Satire (die ich wesentlich besser finde), die derzeit durch die brasilianischen Netzwerke kursieren:



Es ist wohl in einigen Städten schon vorgekommen, dass Leute nur aufgrund der roten Farbe ihres T-Shirts (Farbe der Regierungspartei) beschimpft und geschlagen wurden, Dinge, die man aus Deutschland noch aus einer vergangenen Zeit kennt.

Das Bizarre an der ganzen Geschichte ist aber, dass die Gründe für ein Amtsenthebungsverfahren juristisch wohl höchst umstritten sind (unter anderem wurden wohl Punkte aufgeführt, die sich auf die vergangene Amtszeit beziehen) und zusammen mit den oberhalb aufgeführten Gründen auch als Schlag gegen die Demokratie gewertet werden können. 

In der vergangenen Woche ist vom bisherigen Vizepräsidenten Michael Temer, dessen Partei PMDB sich von der Regierungskoalition in die Opposition begab, ein WhatsApp-Mitschnitt mit seiner neuen Antrittsrede aufgetaucht, natürlich offiziell als Fehler tituliert. Um das Ganze noch abzurunden, will ich noch erwähnen, dass sowohl gegen ihn, als auch die Nummer 3 Eduardo Cunha sowie die Nummer 4 strafrechtlich ermittelt wird. Bei der Nummer 3 Cunha, der zudem das Amtsenthebungsverfahren leitet, wurden bereits Schwarzgeldkonten in der Schweiz nachgewiesen.
Während ich diese Sätze schreibe, läuft seit mehreren Stunden auf fast allen Kanälen die Abstimmung zum Amtsenthebungsverfahren, das eher einer Fernseh-Show als einem politischen Prozess gleicht. Im Parlament wird gesungen, geschrien, sich hundertfach auf Gott, das brasilianische Volk, die Familie, die Heimatstadt, die Gerechtigkeit bezogen. Dazu muss erklärt werden, dass die Abstimmung der 504 Abgeordneten nicht geheim, sondern öffentlich verläuft. Einer nach dem Anderen wendet sich an das brasilianische Volk und teilt seine Meinung, also „SIM=JA“ oder „NAO=NEIN“ dem brasilianischen Fernsehzuschauer.

Das Ganze wird dann wie bei einem WM-Spiel live in sämtliche Städte übertragen, in denen sich die Anhänger wie über ein Tor über jede Stimme freuen. Wie das Ganze auch ausgehen mag, im Moment steht es 88:28 für das „SIM“-Lager  es wird das Land sicherlich verändern, nur in welche Richtung – und da herrscht hier im Moment die ganz große Frage, der ich, das sage ich ganz offen, auch etwas ängstlich entgegen sehe. Ob es sicher unabhängig vom Ausgang morgen entscheiden wird, bleibt weiter offen.

TCHAU Querida = Tschüss, meine Liebe


Impeachment jetzt


Dilma und Cunha